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06.06.2023 | Investitionskosten | Schwerpunkt | Online-Artikel

Klimawende über Finanzmarkt und Förderung stemmen

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

5:30 Min. Lesedauer

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Die Umstellung auf eine fossilfreie Wirtschaft und Gesellschaft kostet enorme Summen. Doch sie ist nötig im Kampf gegen den Klimawandel. Für diesen braucht es funktionierende Kapitalmärkte, belegen Modellrechnungen Berliner Forscher. Auch ohne Partnerschaften und staatliche Förderung geht es nicht.

Je weiter Spar- und Kreditzinsen auseinander liegen, um so höher sind die Kosten für Investitionen in den grünen Wandel. Das belegt eine aktuelle Studie des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Das gemeinsame Forschungsteam hat berechnet, dass die aktuelle Differenz zwischen Spar- und Kreditzins, die derzeit im globalen Durchschnitt bei 5,1 Prozentpunkten liegt, eine zusätzliche Erderhitzung um 0,2 Grad Celsius zur Folge hat. 

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Mit Sustainable Finance die Transformation dynamisieren

Wie Finanzwirtschaft nachhaltiges Wirtschaften ermöglicht

Wir befinden uns inmitten eines komplexen Strukturwandels, der alle Dimensionen der Gesellschaft und des Wirtschaftssystems betrifft. Die Bekämpfung der Klimakrise und konsequentes Verfolgen der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen sind Jahrhundertaufgaben, die keinen Aufschub dulden. Ein nachhaltiges, zukunftsfähiges Finanzsystem ist eine der zentralen Voraussetzungen, um die Transformation unserer Wirtschaft zügig und gezielt zu gestalten. Diese Momentaufnahme zum Agenda Setting für Sustainable Finance kann für die vielschichtigen Prozesse in Gremien und Unternehmen, in Banken und Versicherungswirtschaft auf europäischer, nationaler und betrieblicher Ebene Nutzen stiften.

Für diesen Vergleich mit einer friktionslosen Wirtschaft, in der dieser Zinsspread gleich null wäre, unterstellt das mit empirischen Daten unterlegte Modell eine Klimapolitik nach dem Kosten-Nutzen-Prinzip: Die Regierung kennt die exakte, im Zeitablauf steigende Höhe der Klimaschäden, verteuert den CO₂-Ausstoß jeweils entsprechend der dadurch verursachten Folgen und kommt so auf einen kostenoptimalen Zeitpfad für eine steigende CO₂-Bepreisung. Alternativ braucht sie, wenn sie sich an einem festen Temperaturziel orientiert, aufgrund des aktuellen Zinsspreads eine 27 Prozent höhere CO₂-Bepreisung als in einer Welt ohne den Kreditkostenaufschlag.

Zinsen erhöhen Klimagasemissionen

"Wir identifizieren acht verschiedene Kanäle, über die der Zinsaufschlag für Kredite letztlich die Klimagasemissionen beeinflusst", erläutert Co-Studienautoren Matthias Kalkuhl, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Wirtschaftswachstum und menschliche Entwicklung. Zwar gebe es auch bremsende Effekte, etwa verringern hohe Zinsen das Wachstum der Wirtschaftsleistung und damit auch den Energieverbrauch. Aber es überwiege die klimaschädliche Wirkung. "So erhöht etwa der Kreditkostenaufschlag die Vermeidungskosten je Tonne CO₂, sodass bei einer Orientierung am Kosten-Nutzen-Kalkül dann im Ergebnis weniger Klimaschutz praktiziert wird."

Dem leitenden Studieanautor Kai Lessmann vom Potsdam-Institut zufolge, komme es darauf an, ob der höhere Zins für Kredite nur die tatsächlichen Vermittlungskosten abbildet oder ob er auch Ausdruck für zu wenig Wettbewerb zwischen den Banken ist. "Wenn tatsächlich die Marktstruktur der Grund ist und sich auf mittlere Sicht nicht ändern lässt, dann kann die Politik kurzfristig durch Investitionsförderung wirksam gegensteuern." 

Allgemeine Förderung statt Einzelprojekte

Dabei bringe eine allgemeine Investitionsförderung für Klima und Wirtschaft laut Studie mehr, als gezielt ökologische Projekte zu verbilligen. "Der Strukturwandel hin zu fossilfreien Technologien vollzieht sich dann von selbst", so Lessmann. Diese seien meist kapitalintensiver und profitieren daher mehr von sinkenden Kreditkosten. "Und weil zudem die über die Zeit steigende CO₂-Bepreisung ihren Lenkungseffekt entfaltet."

Green-Finance-Maßnahmen können eine unterstützende Rolle für originäre Klima- und Nachhaltigkeitspolitik einnehmen und dazu beitragen, dass eine Fehlallokation von Kapital verhindert wird, bis ein ausreichend ambitionierter CO₂‐Preis erreicht ist. Dabei muss sich jedoch der Fokus auf den Finanzmärkten zunehmend von einer engen Unterscheidung zwischen 'grünen' und 'braunen' Vermögenswerten wegbewegen. Vielmehr braucht es ein ganzheitliches Rahmenwerk, das klimafreundliche Innovationen in heute emissionsintensiven Sektoren ermöglicht und dafür sorgt, dass Finanzströme ganz grundsätzlich nachhaltig aufgestellt werden", heißt es hierzu in einem Standpunktpapier von KfW Research von Januar 2023.

Ohne staatliche Förderung blieben private Klimainvestitionen ineffizient niedrig. "Bei der Finanzierung der Transformation ist daher ein gelungenes Zusammenspiel von privatem und öffentlichem Kapital gefragt", so die KfW-Ökonomen. 

Multi-Akteurs-Partnerschaften für mehr Nachhaltigkeit

Funktionieren kann das unter anderem über sogenannte Multi-Akteurs-Partnerschaften (MAP). Dabei handelt es sich laut Petra Künkel, Alina Grün und Theresa Kuschka um die Zusammenarbeit verschiedener gesellschaftlicher Akteure aus dem Privat- sowie dem öffentlichen Sektor, der Zivilgesellschaft und wissenschaftlichen Institutionen, "die Lösungen für komplexe Herausforderungen herbeiführen und das Gemeinwohl sowie eine nachhaltige Entwicklung verfolgen". 

Im Buchkapitel "In Multi-Akteurs-Partnerschaften Nachhaltigkeitsziele verwirklichen" (Seite 116 f.) erläutern die Springer-Autorinnen, dass sich dabei langfristige Erfolge besser erzielen lassen, wenn vereinbarte Ziele und Ergebnisse gemeinsam auf den Weg gebracht werden. Individuelle Erwartungen und Werte der relevanten Akteure müssen gewürdigt werden. "Wenn die Teilhabe als gleichberechtigte Partner in einem Kooperationsprozess anerkannt wird, steigt nicht nur die gemeinsame Wirksamkeit, sondern auch das Verantwortungsgefühl der einzelnen Partner."

Nachhaltigkeit gemeinsam mit Bankkunden managen

Welche Rolle hierbei Banken und Sparkassen übernehmen, erläutern Bernd Hofmann und Rüdiger Senft in der Zeitschrift "Bankmagazin" (Ausgabe 2-3 | 2023): 

Zum einen gilt es für Geldhäuser, Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil der Geschäftsstrategie zu definieren. Zum anderen müssen die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit im Sinne einer doppelten Wesentlichkeit gemessen und gemeinsam mit den Kunden gemanagt werden. Mit doppelter Wesentlichkeit ist gemeint, dass sowohl die Auswirkungen des Klimawandels auf die eigene Geschäftstätigkeit als auch die Auswirkungen der eigenen Geschäftstätigkeit auf den Klimawandel zu betrachten sind."

Die aus der Geschäftstätigkeit eines Instituts, das heißt insbesondere dem Kreditgeschäft, resultierenden Treibhausgasemissionen stellen dabei den wesentlichen Treiber klimabezogener Auswirkungen dar. "Zur Bewertung und Offenlegung dieser Emissionen können Banken und Sparkassen auf den Ansatz der Partnership for Carbon Accounting Financials, kurz PCAF, zurückgreifen", schlagen Hofmann, Professor für Banking & Finance an der Hochschule München, und Senft, Regional Head für das Beratungsgeschäft von SLR Consulting in der DACH-Region, vor. "PCAF ist im Begriff, sich zum Marktstandard in diesem Bereich zu entwickeln."

PCAF sorgt für Transparenz im Kreditportfolio

Mit der PCAF-Methode könne die Bank schrittweise Transparenz über die finanzierten Emissionen ihres Kreditportfolios erlangen - entsprechend der Grundsätze für verantwortungsbewusstes Bankwesen (Principles for Responsible Banking, kurz PRB). "Darauf aufsetzend identifiziert sie die Bereiche, in denen sie die einschlägigsten Auswirkungen hat", so die beiden Experten. Innerhalb eines Zeitraums von 18 Monaten nach dem PRB-Beitritt muss ein Institut nämlich eine erste Selbsteinschätzung zu den Grundsätzen für ein verantwortungsbewusstes Bankwesen veröffentlichen und die Berichte in den Folgejahren kontinuierlich publizieren. 

"Im Lauf von maximal fünf Jahren sind die erforderlichen Schritte hinsichtlich Wirkungsanalyse, Zielsetzung und Umsetzung sowie Rechenschaftspflicht final einzuführen und über die Internetseite der Finanzinitiative der Vereinten Nationen die Fortschritte zu veröffentlichen." Auch der Bundesverband deutscher Banken (BdB), der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) sowie der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) bekennen sich laut Hofmann und Senft zu den Prinzipien. 

Mit diesen und ähnlichen Angeboten wird es möglich sein, die Umsetzung der Ziele des Pariser Klimaabkommens zu beschleunigen - ganz im Sinne des Sustainable Development Goals Nummer 17, das explizit zu Partnerschaften auffordert, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen", so die beiden Autoren.

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