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06.05.2024 | Corporate Governance | Gastbeitrag | Online-Artikel

Bei Restrukturierungen ist der Aufsichtsrat gefordert

verfasst von: Alexander Eichner

4 Min. Lesedauer

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Selbstgerechte Kapitalisten mit dicken Zigarren? Das hat nichts mehr mit der Realität eines modernen Aufsichtsrats zu tun. In Krisen wie Restrukturierungen übernimmt dieser Verantwortung und begleitet den Vorstand mit zielgerichteten Aufsichtsratsmanagement.

2024 könte das Jahr der Restrukturierungen werden. Laut Deloitte Restructuring Report 2023/2024 muss sich Deutschland dieses Jahr auf eine Sanierungswelle gefasst machen. Besonders betroffen seien der Einzelhandel, der Automobilsektor und die Bau- und Immobilienwirtschaft. Fakt ist: Durch viele mittelständische Unternehmen weht ein rauer Wind. Im Vorteil sind diejenigen, die einen gut besetzten Aufsichtsrat oder Beirat haben, der sich moderner Tools bedient. 

Denn dieses Gremium spielt eine entscheidende Rolle bei der Neuausrichtung von Unternehmen in Krisenzeiten. Kostenoptimierung, Effizienzsteigerung, Portfolio-Bereinigung, Neugestaltung von Geschäftsmodellen und Veränderungsmanagement: Ein stark aufgestellter Aufsichtsrat begleitet die Geschäftsführung dabei, sich von wirtschaftlichen Rückschlägen zu erholen und die Wettbewerbsfähigkeit wieder herzustellen. 

Modernes Tool für kritische Phasen

Vor allem für Aufsichtsräte gelten klare rechtliche Vorgaben. So darf der Aufsichtsrat nicht aktiv in das Tagesgeschäft des Vorstands eingreifen. Das bedeutet allerdings nicht, dass dieses Gremium sich nur einmal im Quartal Mal zum Kaffeekränzchen treffen darf, um ein paar Zahlen zu prüfen. Im Gegenteil: Vor allem in einer Restrukturierung sollten die Gremienmitglieder viel aktiver am Turnaround des Unternehmens arbeiten und sich moderner Ansätze wie dem Aufsichtsratsmanagement (AR-Management) bedienen. Grundsätzlich sind es fünf Maßnahmen, die der Aufsichtsrat und auch Beirat ergreifen kann. Darunter:

  1. Klare Aufgaben verteilen und Ziele setzen.
  2. Die Sitzungsfrequenz erhöhen.
  3. Das Netzwerk aktivieren.
  4. Systematischer Wechsel der Geschäftsführung. 
  5. Die eigene Rolle kritisch hinterfragen.

1. Klare Aufgaben verteilen und Ziele setzen 

Bei Restrukturierungen gilt mehr, denn je: Jede Person im Gremium übernimmt eine konkrete Aufgabe, die zu ihren Fähigkeiten, Möglichkeiten und zu den Bedürfnissen der Firma passt. Diese Aufgaben sollten dann bis zur nächsten oder übernächsten Sitzung erledigt werden. Das bedeutet: Die Sitzungsprotokolle sind nicht nur reine Formalität, sondern werden zu klaren Arbeitsprotokollen, in denen festgehalten wird, wer Ergebnisse geliefert hat und wer nicht. Das erhöht auch den Druck auf jedes Aufsichtsratsmitglied, mit professionellem Einsatz für das Unternehmen zu agieren. 

2. Die Sitzungsfrequenz erhöhen

Durch die klare Aufgabenverteilung und Zielsetzung verändert sich die Rolle des Aufsichtsrats von der traditionellen, engen Herangehensweise. Denn dadurch wird es notwendig, die Sitzungsfrequenz zu erhöhen. Vier Meetings im Jahr reichen hier längst nicht mehr aus. Stattdessen muss es mehrere Sitzungen pro Quartal geben. Diesen Zeitaufwand nehmen moderne Aufsichtsräte an, weil sie wissen: Nur so können sie wirklich Veränderungen anstoßen, eigene Kompetenzen einbringen und die Geschäftsführung von außen unterstützen. 

3. Das eigene Netzwerk aktivieren

Gut vernetzte Aufsichtsräte sollten in der Lage sein, ihr Netzwerk auch zu aktivieren, um das Unternehmen wirklich effizient weiter voranzubringen. Ob Kreditbanken, die finanzielle Mittel bereitstellen können, potenzielle Geschäftspartner, die neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen, Verbindungen in die Politik, die regulatorische oder gesetzgeberische Unterstützung bieten können oder Experten und Spezialisten, die als Umsetzer auf Zeit wertvolle Beiträge leisten: Ein moderner Aufsichtsrat analysiert sein Netzwerk und prüft, welche Kontakte besonders wertvoll für die Restrukturierungsziele des Unternehmens sind.

4. Systematischer Wechsel der Geschäftsführung

Je nach Unternehmensphase sollte der Aufsichtsrat auch passende Geschäftsführer einsetzen. Zu Beginn einer Restrukturierung könnte zum Beispiel ein entschlossener Reformer wichtige Änderungen einführen. Sind die Umstrukturierungen dann umgesetzt, übernimmt ein erfahrener Branchenexperte, der wieder Ruhe in die Organisation bringt. Dieser festigt die Neuerungen, verbessert das Tagesgeschäft, kümmert sich um den Vertrieb und führt das Unternehmen vom Krisen- zurück in den Normalmodus. 

5. Die eigene Rolle kritisch hinterfragen

Der Aufsichtsrat hat die Befugnis, die Geschäftsführung zu wechseln, falls es die Umstände erfordern. Allerdings stellen moderne Aufsichtsräte sich zunächst eine wichtigere Frage: Wer hat die Geschäftsführung eingestellt?. Diese Frage lenkt den Blick zuerst auf das Gremium selbst. Es ist die Aufgabe jedes Gremium-Mitglieds, sich selbst zu hinterfragen und ehrlich zu beurteilen, ob es noch zur Lösung beiträgt oder mittlerweile Teil des Problems geworden ist. Die Stärke im AR-Management liegt also auch darin, sich selbst auszuwechseln, wenn es die Situation verlangt. Natürlich geben sich die anderen Board-Mitglieder auch untereinander kritisches und konstruktives Feedback und tragen solche personellen Entscheidungen gemeinsam. 

Erfolgsfaktor: proaktives Vorgehen

In der Krise müssen Aufsichtsräte proaktiv agieren. Sie müssen dafür sorgen, alle notwendigen Informationen zu erhalten, um den Zustand des Unternehmens bestmöglich zu verbessern. Dafür müssen sie viele Gespräche führen: zu näheren Geschäftspartnern, Mitarbeitenden und anderen Stakeholdern, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie das Unternehmen gesehen wird und welche Geschäftsmöglichkeiten sich überhaupt realistisch ergeben. Wer das weiß, kann ganz anders mitreden, notwendige Allianzen bilden und in der Restrukturierung die passenden Impulse setzen.

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